Die Liebe des Königs

30.11.2015 // 16:56 Uhr

„Sind das die Hunde, die der alte Fritz früher hatte?“.
Ich war ganz erstaunt, als ich bei meiner Morgenrunde diesen Satz zu hören bekam.
„Ja genau, das sind sie.“
„Italienische Windspiele, richtig? Die sind ja noch viel kleiner als gedacht.“
Dieser ältere Herr, ich schätze ihn zwischen 70-80 Jahre, kannte sich aber verdammt gut aus. Er interessierte sich sehr für meine Hunde, weshalb wir den Spaziergang gemeinsam fortführten. Ich habe ihn leider vergessen zu fragen, warum er sich mit der Geschichte des Königs auseinandergesetzt hat. Vielleicht gehört diese Information zur Allgemeinbildung? Oder hat er das Buch "Die Liebe des Königs. Friedrich der Große. Seine Windspiele und andere Passionen gelesen?

 

Ich bin auf dieses Buch über Lumpi4 aufmerksam geworden. Die Zeilen, die ich dort las, berührten auf wunderbare Art mein Herz (und es lag mit Sicherheit nicht daran, dass ich Geschichte als Leistungskurs im Abitur hatte). Ich konnte mich in den alten Fritz hineinversetzen und wollte dieses Buch unbedingt lesen.

Ich zitiere den folgenden Text komplett nach Lumpi4, denn dieser hat mich dazu bewegt, dieses Buch zu kaufen.

 

„Die Namen auf den kleinen Sandsteinplatten neben der Terrasse von Schloß Sanssouci sind kaum noch zu entziffern: Biche (gestorben 1752), Alcmene (gestorben 1763), Arsinoe, Thysbe, Phillis, Diana, Thysbe II., Diana II., Superbe, Amourette und Pax. – Es sind die Gräber der Hunde von Friedrich II. König von Preußen, genannt „Der Große“, der nur wenige Meter daneben in seiner Gruft begraben liegt, so, wie er es testamentarisch verfügt hatte: Bei seinen Hunden.

Er war ein großer Feldherr, ein genialer Staatsmann und Aufklärer, an Kunst in jeder Form interessiert – und gleichzeitig ein politischer Hasardeur, der riskante Kriege führte, die entsetzliches Blutvergießen kosteten, und ein menschenverachtender Zyniker. In seinen zwischenmenschlichen Beziehung galt Friedrich II. als ausgesprochen schwierig: Die intellektuelle Weltoffenheit, die er als junger König noch besaß, wich später einer tiefen Verbitterung und einer ausgeprägten Gemeinheit. Nur wenige Menschen konnten seinen hohen intellektuellen Ansprüchen genügen – wie Voltaire, Katharina die Große oder seine Schwester Wilhelmine von Bayreuth, zu der er ein sehr enges Verhältnis hatte.

Schon als Kind liebte er kleine, verspielte, nicht abgerichtete Hunde, sicherlich geprägt durch seine Mutter Sophie von Hannover, die immer bologneser- oder spanielartige Schoßhündchen um sich hatte (Wilhelmine sollte später 1742 den „Mopsorden“ gründen, die erste Freimaurerloge, die auch Frauen zuließ). Auf den ersten Gemälden des fünfjährigen Friedrich mit Wilhelmine sieht man ihn mit einem kleinen, windspielähnlichen Hund. Sein Vater, der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. hasste die Feinsinnigkeit und Weichheit seines Sohnes, der ihm zu wenig militärisch interessiert schien, und versuchte, durch unglaublich autoritäre, brutale Erziehung aus seinem Sohn einen frommen, extrem maskulinen, säbelrasselnden Offizierscharakter machen.

Von der unglaublichen Härte und Unmenschlichkeit, die er von seinem Vater erfahren hatte, wandte Friedrich sich Wesen zu, die nicht enttäuschen konnten, von denen weder Hass noch Betrügereien ausgingen, und die ihm nichtendende Zuneigung und Anhänglichkeit schenkten.

Friedrich hielt sich ausschließlich Italienische Windspiele. Nicht wegen ihrer Eignung zu Jagd – ein Zeitvertreib, den Friedrich hasste -, sondern wegen ihres sensiblen, zärtlichen Charakters. Italienische Windspiele waren damals keine besonders exklusive Rasse; die Zwergform des großen Greyhounds galt als „Windhund des Kleinen Mannes“. Windspiele sind zarte, kapriziöse Wesen mit zierlichem Körperbau, die empfindlich auf äußere Reize reagieren und leicht frieren. Der König soll seine Hunde bei Ausritten unter der Weste an seine Brust gedrückt haben. Einmal schrieb Friedrich an seine Schwester Wilhelmine, sein Tierarzt sei „ein Idiot, der bis heute nicht erkannt hat, daß das Windspiel gar kein Hund ist, sondern ein vierbeiniger Vogel."

Er hatte immer einen Lieblingshund, der ihn ständig begleitete und der auch bei ihm im Bett schlief, und einige weitere zu dessen Gesellschaft. Er ließ kleine Bälle aus Leder für sie anfertigen, die überall im Schloß herumlagen. Wie ein Zeitgenosse beschrieb: „“Aus Hunden machte er sich unsäglich viel, und hatte beständig drey oder vier Stücke um sich, von denen einer Sein Favorit, und die anderen desselben Gesellschafter waren. Jener lag bey Tage allezeit da, wo der König saß, an der Seite desselben, auf einem besonderen Stuhl, den zwey Küssen bedeckten, und schlief des Nachts bey Ihm im Bette. Die andern wurden des Abends weg, und am folgenden Morgen, wenn man Ihn weckte, wieder gebracht, da denn die kleine Gesellschaft durch ihre große Munterkeit und Zärtlichkeit dem Könige Vergnügen machte. Sie saßen neben ihm auf den Canapés, die dadurch beschmutzet und zerissen wurden, und der König erlaubte ihnen alles. Er sorgt aufs zärtlichste für ihre Erhaltung, Gesundheit und Verpflegung; der Favorit empfing auch bei der Tafel etwas aus der Hand des Königs; überhaupt aber wurden die Hunde von einem Bedienten versorget, der sie auch nach ihrer Mahlzeit bey guter Witterung spazieren führete, damit sie der frischen Luft genießen konnten. Ein Bedienter, der aus Unvorsichtigkeit einem Hund auf den Fuß trat, konnte dem Zorn des Königs nicht wohl entgehen.“ Wen seine Hunde aber mochten, den betrachtete auch Friedrich mit größter Sympathie.

1744 hatte er von Graf Friedrich von Rothenburg, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verband, die berühmte Biche geschenkt bekommen, seine erste Lieblingshündin, die zum Zentrum seines Lebens wurde und ihn auch zur Kur nach Bad Pyrmont begleitete, wo Friedrich sich nach dem Ersten Schlesischen Krieg auf die nächste Schlacht vorbereitete. 1745 begleitete ihn die kleine Hündin auch in den Krieg, wobei Herr und Hund in eine gefährliche Lage gerieten. Sein Biograph Franz Kugler schrieb: „Plötzlich bemerkte er einen Trupp Panduren, die ihm des Wegs entgegen geritten kamen; ihm blieb nichts anderes übrig, als eilig in einen Graben zu springen und sich unter der Brücke zu verbergen. Nun fürchtete er, das Biche, die bei ihm war, bei dem Geräusch der Pferde bellen und ihn verrathen würde; das Thier jedoch, als ob es die Gefahr seines Herrn ahne, schmiegte sich dicht an ihn und gab keinen Laut von sich.“ Kurz darauf wurde Biche beinahe zur Kriegs-Kalamität, als sie vom ungarischen General Radasdy entführt wurde. Friedrich war verzweifelt und überzeugt, dass Biche umgebracht worden war, aber nach wenigen Tagen wurde sie zurückgegeben. Einer seiner Biographen beschrieb das Wiedersehen: „Es wird erzählt, man habe die Biche leise in das Zimmer hineingelassen, in dem der König Briefe schrieb. Da sei der Hund auf den Tisch gesprungen und habe seinem Herrn die Pfoten um den Hals gelegt; der König habe sich so gefreut, dass ihm die Tränen in die Augen getreten seien.“ 

Biche und eine andere Hündin, Thisbe wurden mehrfach von dem Hofmaler Antoine Pesne gemalt. Pesne wurde auch beauftragt, das Konzertzimmer in Sanssouci, in dem der König vor dem Abendessen Flöte spielte, zu gestalten: Er schuf ein Ensemble mit fünf Wandgemälden mit mytholgoischen Gestalten, denn Friedrich war ein großer Verehrer der Antike. Als Hauptwerk malte Pesne 1747 „Das Bad der Diana“. Im Zentrum des Bildes auf dem Schoß der Diana sitzt – Biche, die der Herrin der wilden Tiere ins schöne Gesicht blickt.

Für den König waren seine Windspiele seelenverwandte und vielleicht sogar mitdenkende Wesen. Als man ihm einen Artikel über Tierseelen vorlas, sagte er zu dem auf seinem Schoß sitzenden Hund: „Hörst Du? Es ist von dir die Rede. Man sagt, du habest keinen Geist, du hast aber doch Geist.“

Als Biche zum ersten Mal warf, schrieb Friedrich im Namen von Biche an seinen jüngeren Bruder August Wilhelm, um ihn als Paten für die „kleinen Biches“ zu gewinnen, der ihm daraufhin antwortete: „…Ich nehme dies Angebot gerne an… Jedenfalls kannst Du Dir denken, daß ich es mir zur Ehre anrechne, Biches Gevatter zu sein. Treue und Anhänglichkeit, bei den Menschen so selten, sind bei ihresgleichen fast allgemein, zur Beschämung derer, die diese Eigenschaften nicht besitzen…. Möchten Biches Abkömmlinge alle ihre guten Eigenschaften erben, und möchte sie selbst nach glücklich überstandenem Wochenbett fortfahren, Dir Proben ihrer Treue zu geben.“ Nach verschiedenen Auseinandersetzungen mit dem Bruder bereute Friedrich seine Korrepsondenz aber und schrieb: „Verzeih bitte Biches Dreistigkeit, Dich als Paten zu bitten. Es gibt nichts Zynischeres als die Hunde. Somit tust Du gut, Dich über ihre Frechheit nicht zu ärgern.“

1751 starb des Königs Vertrauter Graf Rothenburg im Alter von 41 Jahren an den Folgen schwerer Kriegsverletzungen und seines ungesunden Lebenswandels. Sein Tod erschütterte Friedrich tief. Er verfasste daraufhin ein Testament, in dem er verfügte, dass er im Falle seines eigenen Todes nicht wie ein Herrscher, sondern bescheiden wie ein Philosoph in einer Gruft bei seinen Hunden bestattet werden wolle.

Auf den Tag genau starb ein Jahr nach Graf Rothenburg die Hündin Biche. Friedrich schrieb verzweifelt an seine Schwester: „Ich habe Biche verloren; ihr Tod hat mir wieder die Erinnerung an den Verlust aller meiner Freunde wachgerufen, besonders dessen, der sie mir geschenkt hatte. Ich war beschämt, daß der Tod eines Hundes mir so nahe geht, aber das häusliche Leben, das ich führe, und die Treue des armen Tieres hatten es mir ans Herz wachsen lassen… Soll man hart sein? Soll man fühllos sein? Ich glaube, ein Mensch, der gegen ein treues Tier gleichgültig sein kann, wird gegen seinesgleichen nicht dankbarer sein, und wenn man vor die Wahl gestellt wird, ist es besser, zu empfindsam als zu hart zu sein.“

Biche wurde in der Gruft von Sansscouci beigesetzt. Der Biograph Pauli berichtet: Starb einer der Hunde, so wurde ein Sarg für ihn gemacht, und er in die Bibiliothek des Königs aufgestellt, bevor er in der Gruft auf der Terrasse beigesetzt wurde. Der König selbst hatte viermal zwischen 1752 und 1769 festgelegt, dass er in der Gruft beigesetzt zu werden wünschte bei seinen Hunden.

Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges empfand sich der 51jährige König als ein von Krankheit und Unglück gezeichneter Greis. Er hatte alle seine Freunde verloren, seine geliebte Schwester Wilhelmine war tot, sein Flötenlehrer, der über 30 Jahre ein geschätzter musikalischer Begleiter gewesen war, gestorben. Weil ihm die Schneidezähne fehlten, gab Friedrich das Flötenspiel nun auf. Es wurde einsam um Friedrich, die Gästezimmer blieben leer, das liebevoll gestaltete Konzertzimmer blieb unbenutzt. Er lebte nun mit seinen Hunden in Sanssouci wie in einem Kloster. Er kümmerte sich nicht um eine Renovierung des Schlosses, das furchtbar verwohnt wirkte; Vorhänge, Sofas und Fauteuils waren von den Hunden beschmutzt und zerrissen. Aber sie waren alles, was dem König an Verspieltheit, Sinnlichkeit und zärtlicher Nähe geblieben war, und er traute ihnen mehr zu, als den meisten Menschen um sich herum. Als sich der Marquis von Lucchesini als neuer Vorleser des Königs bewarb, lief die Hündin Alcmène fröhlich auf ihn zu und sprang an ihm hoch. Friedrich, ganz verwundert über die sonst „so prüde Alcmène“, starrte den Marchese an und lächelte dann: „Qu’est-ce que ça, Alcmène? Will sie die Interesseuse spielen? – Eh bien, Marquis! Wenn Alcmène ja sagt, kann ich schlecht widersprechen! Ich hoffe, er wird sich mit mir nicht schlechter stehen!“

Als Friedrich 74 Jahre alt wurde, wurde sein ohnehin durch viele Schlachten schlechter Gesundheitszustand zusehends kritischer. In Anbetracht der wenigen Zeit, die ihm noch blieb, arbeitete er mehr denn je und ließ seine Sekretäre morgens um vier zu sich kommen, anstatt wie sonst zwischen sechs und sieben Uhr früh. „Mein Zustand nötigt mich, Ihnen diese Mühe zu machen, die für Sie nicht lange dauern wird“, erklärte er ihnen. „Mein Leben ist auf der Neige; die Zeit, die ich noch habe, muss ich benutzen. Sie gehört nicht mir, sondern dem Staate.“ Im August 1786 ging es mit ihm zu Ende. Friedrich lag in seinem Stuhl, den er sich hatte anfertigen lassen, weil er aufgrund seiner schweren Gicht und des Rheumas weder sitzen, noch wirklich liegen konnte, in einer Art Dämmerzustand. Direkt neben ihm auf einem Schemel lag die Windspielhündin Superbe. Gegen ein Uhr morgens am 17. August bemerkte der Sterbende, dass der Hund fehlte: „Wo ist Superbe? Sie soll wieder auf den Stuhl kommen!“ sagte er. Als der inzwischen stark geschwächte Monarch sah, dass der Hund – wie er selbst – vor Kälte zitterte, befahl er kaum noch hörbar, den Hund zuzudecken. Dies soll seine letzte Äußerung gewesen sein. Um 2 Uhr 20 starb Friedrich II., genannt der Große.

Obwohl er in der Gruft von Schloss Sanssouci neben seinen Hunden beerdigt werden wollte, ließ ihn sein Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. aus repräsentativen Gründen in der Potsdamer Garnisonkirche an der Seite seines Vaters Friedrich Wilhelm I. beisetzen. 1944 wurde der Sarg in die Elisabethkirche nach Marburg verbracht und kam 1952 – auf Initiative von Louis Ferdinand von Preußen – in die Kapelle der Burg Hohenzollern. Erst am 17. August 1991 wurde der letzte Wille des großen Königs erfüllt und der Sarg Friedrichs II. wieder nach Potsdam überführt, um dort in der Gruft beerdigt zu werden. Dann endlich wurde Friedrichs altes Bonmot endlich zur Wahrheit: „Quand je suis là, je serai sans souci “ – „Wenn ich da bin, werde ich ohne Sorgen sein“.“

 

Ich habe das Buch vergangene Woche, bei einer 10-stündigen Autofahrt, erst wieder verschlungen. Ich kann dieses Buch allen Windspielliebhabern nur wärmstens empfehlen, denn viele werden sich in so einigen Passagen wiedererkennen. Spätestens die freien Tage zwischen Weihnachten und Silvester bieten sich wunderbar dafür an

#rundumsfrauchen